Eines Nachts, als ich in meinem Badezimmer mit einem gerade in kritischem Zustand befindlichen winzigen Kätzchen auf dem Schoß eingenickt war, beschloss ich, diesen Artikel zu schreiben. Keine Angst, es wird keine schockierenden Fotos, tragische Wendungen und zu Tränen rührende Szenen geben. Ich möchte weder belehren, noch beschimpfen. Ich möchte nur, dass so viele Menschen, wie möglich wenigstens eine der zahlreichen Geschichten kennen lernen, die beginnen, nachdem unter einem Post unseres Tierheimes der gewisse Kommentar erscheint: „… ein Glück, dass sie nicht in die Mülltonne geworfen wurden, so sind sie wenigstens gut aufgehoben”. Denn wenn sie nicht in der Mülltonne gelandet, sondern gut aufgehoben sind, ist das Problem ja gelöst. Oder doch nicht? Aber ich beginne wohl besser ganz am Anfang.
Vor einigen Wochen vergaß jemand zum x-ten Mal vier, ca. 3 Wochen alte schwarze Kätzchen im Tor des NOAH Tierheimes. Was geschieht dann? Unser an dem Tag „Dienst” leistende ehrenamtliche Helfer lässt schnell alles andere stehen und liegen und eilt herbei, um die Kätzchen in die Quarantänestation zu bringen, sie dort zu säubern, zu füttern und einen ersten Eindruck über den Gesundheitszustand der kreischenden kleinen Wollknäuel zu bekommen.
(Auf dem Bild ist Figaro, aus einem anderen verlassenen Wurf...)
Danach wird ein Foto gemacht und wir versuchen einen akzeptablen Artikel zu verfassen, um eventuell eine Ammenkatze zu finden oder die Menschen dazu zu bewegen uns bei den auf uns zukommenden finanziellen Lasten zu unterstützen. Der Artikel erscheint bei facebook und die Katzen hocken in einem Käfig in der Quarantänestation.
Und was passiert dann? Was geschieht, wenn das Tierheim am Nachmittag schließt und auch der letzte ehrenamtliche Helfer nach Hause geht? So kleine, eventuell verletzte oder kranke Kätzchen bedürfen andauernder Aufmerksamkeit und alle 3-4 Stunden einer Fütterung. Hier kommen die Pflegestellen ins Spiel, wie z.B. ich, die sich um die verwaisten, obdachlosen Miezekatzen kümmern. Die damit verbundenen Kosten können wir nicht immer selbst tragen, denn auch wir sind ganz gewöhnliche Menschen, die arbeiten gehen, eine Familie und ein Zuhause und auch eigene Tiere haben. Die meisten von uns helfen dem Tierheim aus Liebe. Über die wenigen fest angestellten Mitarbeiter des Tierheimes hinaus, wird ein Großteil der Arbeiten im Tierheim, die Vermittlung, der Betrieb einer Pflegestelle, das Verfassen und Hochladen von Artikeln für die Homepage, die Übersetzungen, die Korrespondenz, das Organisieren der Veranstaltungen von ehrenamtlichen Helfern in deren Freizeit vollbracht.
Da das Problem der Unterbringung der obigen drei kohlrabenschwarzen Winzlinge auch am Nachmittag noch nicht gelöst war, beschloss ich, sie nach Hause zu holen.
Hier beginnt meine Geschichte. Neben meinen eigenen vier Hunden, acht Katzen und zwei NOAH Pflegekätzchen hatte ich eigentlich keinen Platz mehr frei, vor allem, da die eine Pflegekatze wegen ihrer ansteckenden Krankheit in Quarantäne gehalten werden musste. Unser Quarantänebereich ist unser Bad. Also musste ich meine Pflegekatze Csepke in die Quarantänestation des Tierheimes zurückbringen, um an ihrer Stelle die vier Kleinen im Badezimmer unter zu bringen. Ich hatte das Gefühl, Csepke im Stich zu lassen und er sitzt auch heute noch in dem Käfig der Quarantänestation, denn es ist noch keiner gekommen um ihn zu adoptieren und wegen seiner Krankheit kann er auch bei keiner anderen Pflegestelle untergebracht werden.
Csepke musste also gehen und die vier Zwerge zogen ein. Nun begann für mich die 24 Stunden Schicht. Füttern, Säubern, Bäuche massieren, bei der Erledigung ihrer Bedürfnisse helfen, all das Mal vier und alle zwei Stunden wiederholen. Meine Familie ist gezwungen, zu akzeptieren, dass ich in dieser Situation nicht koche oder sauber mache und ich im Grunde nicht ansprechbar, müde und gereizt bin. Nach der Arbeit renne ich direkt nach Hause, komme immer zu spät zur Arbeit und kann mich nicht richtig konzentrieren. Ich behaupte nicht, dass man es nicht besser machen kann, ich sage bloß, dass ich es nicht besser machen kann. Wenn jemand in der Lage ist, dies flott und mit einem Lächeln zu erfüllen, dann bitte ich ihn um Rat. All dies wäre eigentlich kein Problem, denn ich mache das ehrenamtlich, freiwillig und ich liebe es, aber wie fair ist das meiner Familie gegenüber?
Wie fair ist das meinen Arbeitskollegen gegenüber, die wegen mir mehr arbeiten müssen? Wie fair ist das meinen eigenen Tieren gegenüber, für die ich gerade so viel Energie aufbringen kann, um sie zu füttern? Überhaupt nicht! Aber alles kein Problem, denn nach zwei Tagen Grübelei fängt man an, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Es ist schon eine Herausforderung, wach zu bleiben, dann sind da noch die Magenkrämpfe, wenn die Kleinen krank werden. Das passiert natürlich fast immer nachts oder an Wochenenden, also möglichst außerhalb der tierärztlichen Sprechstunden. Wir geben unser Bestes, aber wir sind leider keine Veterinäre und manchmal entscheidet leider eine frühere Erfahrung oder deren Mangel über Leben und Tod. Diese winzigen Kätzchen haben keine Reserven, ihr Zustand kann sich –trotz aller Bemühungen innerhalb von Stunden dramatisch verschlechtern. Manchmal kommt es vor, dass das Kätzchen, das am Abend noch aktiv und verspielt war, am Morgen nicht mehr lebt. Trotzdem machen wir weiter, denn die vielen anderen Katzen brauchen uns, wir haben keine Zeit unsere Wunden zu lecken.
Auch mit meinen vier Schwarzen gab es genug Probleme. Erbrechen, chronischer Durchfall, Hautprobleme usw. Jedes Mal wenn ich die Badtür aufmache fürchte ich mich davor, was ich dort vorfinde. Einmal drückte ich eines der Kätzchen, nach einer schlaflosen Nach, noch vor Beginn der Sprechstunde in die Hand der verdutzten Tierarztassistentin, mit einem Zettel auf dem ich die Symptome aufgeschrieben hatte und eilte zur Arbeit. Nun haben wir das Gröbste mit Hilfe der Tierärzte und Assistentinnen und Dank der Toleranz meiner Familie und meiner Kollegen geschafft. Alle Vier haben es überlebt. Jetzt können wir uns langsam Gedanken darüber machen, wie wir für die Vier ein neues Zuhause finden, denn die Farbe Schwarz gehört nicht zu den Favoriten.
Ob derjenige, der diese gewisse Schachtel vor dem Tor abgestellt hat, sich dessen bewusst war, welche Last er jemand anderem dadurch auferlegt? Vielleicht sollte die Frage auch eher so lauten, ob es ihn überhaupt interessiert? Ich glaube kaum. Ich denke eher, dass er sich in Gedanken auf die Schulter geklopft hat, schließlich hat er sich die Mühe gemacht, die Kätzchen bis zum Tierheim zu schleppen, anstatt sie einfach in die Mülltonne zu schmeißen.